Don Quijote im Kampf gegen Windmühlen
Predigt 02.10.2022
"Indem bekamen sie dreißig oder vierzig Windmühlen zu Gesicht, wie
sie in dieser Gegend sich finden; und sobald Don Quijote sie
erblickte, sprach er zu seinem Knappen: »Jetzt leitet das Glück
unsere Angelegenheiten besser, als wir es nur immer zu wünschen
vermöchten; denn dort siehst du, Freund Pansa, wie dreißig Riesen
oder noch etliche mehr zum Vorschein kommen; mit denen denke ich
einen Kampf zu fechten und ihnen allen das Leben zu nehmen. Mit
ihrer Beute machen wir den Anfang, uns zu bereichern; denn das ist
ein redlicher Krieg, und es geschieht Gott ein großer Dienst damit,
so böses Gezücht vom Angesicht der Erde wegzufegen.« »Was für
Riesen?« versetzte Sancho Pansa. »Jene, die du dort siehst«,
antwortete sein Herr, »die mit den langen Armen, die bei manchen
wohl an die zwei Meilen lang sind.« »Bedenket doch, Herr Ritter«,
entgegnete Sancho, »die dort sich zeigen, sind keine Riesen, sondern
Windmühlen, und was Euch bei ihnen wie Arme vorkommt, das sind die
Flügel, die, vom Winde umgetrieben, den Mühlstein in Bewegung
setzen.« »Wohl ist's ersichtlich«, versetzte Don Quijote, »daß du in
Sachen der Abenteuer nicht kundig bist; es sind Riesen, und wenn du
Furcht hast, mach dich fort von hier und verrichte dein Gebet,
während ich zu einem grimmen und ungleichen Kampf mit ihnen
schreite.« So schreibt Miguel de Cervantes im Roman "Der sinnreiche
Junker Don Quijote von der Mancha". Cervantes präsentiert den
Titelhelden: "Man muß nun wissen, daß dieser obbesagte Junker alle
Stunden, wo er müßig war - und es waren dies die meisten des Jahres
-, sich, dem Lesen von Ritterbüchern hingab, mit so viel Neigung und
Vergnügen, daß er fast ganz und gar die Übung der Jagd und selbst
die Verwaltung seines Vermögens vergaß. ... Die Phantasie füllte
sich ihm mit allem an, was er in den Büchern las, so mit
Verzauberungen wie mit Kämpfen, Waffengängen, Herausforderungen,
Wunden, süßem Gekose, Liebschaften, Seestürmen und unmöglichen
Narreteien ... Zuletzt, da es mit seinem Verstand völlig zu Ende
gegangen, verfiel er auf den seltsamsten Gedanken, auf den jemals in
der Welt ein Narr verfallen; nämlich es deuchte ihm angemessen und
notwendig, sowohl zur Mehrung seiner Ehre als auch zum Dienste des
Gemeinwesens, sich zum fahrenden Ritter zu machen und durch die
ganze Welt mit Roß und Waffen zu ziehen, um Abenteuer zu suchen".
Also: Jemand verbringt bzw. verschwendet unzählige Stunden seines
Lebens mit Erzählungen, mit Narrativen. Jemand steigert sich hinein
in wirre Geschichten, in eine Traumwelt. Jemand hat sich kritiklos
infizieren lassen mit dem, was offenkundig nicht der Realität
entspricht, und nun will er die Realität nicht mehr wahrnehmen. Er
weigert sich, auf die Stimme der Vernunft zu hören, weil ein
sachlicher Betrachter der Realität "in Sachen der Abenteuer nicht
kundig" ist. Wer zur Vernunft mahnt, der wird angegriffen und
verurteilt: Mach dich fort von hier. Aber war das Fehlurteil des Don
Quijote überhaupt vermeidbar? Nicht jeder Mensch hat immer die beste
Sehkraft. Angenommen, die Windmühlen sähen von ihrem Aufbau her
Menschen sehr ähnlich, und weil sie nun einmal erheblich größer als
Menschen sind, hält man sie für Riesen. Selbst dann wäre es noch
immer nicht logisch, sie als "böses Gezücht", sie als eine Gefahr zu
werten, geschweige denn zu bekämpfen. Denn in der Natur gibt es
bekanntlich sehr große Lebewesen, die trotzdem keine Bedrohung sind.
Don Quijote mag zwar Riesen sehen, aber er sieht definitiv keine
Leichenberge rings um diese Riesen. Er sieht kein einziges Opfer
dieser Riesen. Er hat keine Informationen darüber, dass die
Intensivstationen in den Krankenhäusern überfüllt sind mit Opfern
dieser Riesen. Er hat keine Statistik mit Totenscheinen, auf denen
als Todesursache steht: "Angriff durch Riesen". Ferner: In der
geisteskranken Phantasie spielen auch "Verzauberungen" eine große
Rolle. Der Wahnsinn könnte dann auf Ideen verfallen wie einen
Schutzzauber vor Riesen, z. B. als Zaubertrank. Wer den Zaubertrank
in sich aufnimmt und auch immer wieder boostert, der ist für drei
Monate geschützt vor einem schweren Verlauf oder wenigstens vor dem
Tod nach Angriff durch Riesen. Oder man könnte sich einen Lappen vor
das Gesicht hängen. Und wenn jemand fragt, inwiefern denn eine
Mund-Nasen-Bedeckung vor Riesen schützen soll, denke man an die
Worte eines Tierarztes: "Diese Regeln müssen der Standard sein.
Diese Regeln dürfen überhaupt nie hinterfragt werden. Das sollten
wir einfach so tun." Fazit: Hängt die Lappen vor die Klappen!
Griffige Parolen sind Trumpf. Oder man bleibt in seiner Wohnung, man
arbeitet nur noch im Home-Office oder gar nicht. Man verlässt die
Wohnung nur zwischen 18 und 20 Uhr, und selbst dann auch nur für
unbedingt notwendige Einkäufe, denn unter dieser Bedingung sind die
permanent mordenden Riesen doch ganz sicher friedlich. Nun könnte
man untersuchen, was in den jeweiligen Zaubertränken Schönes oder
auch Unschönes enthalten ist. Man könnte untersuchen, wie hoch der
Anteil von Riesen-Opfern ist bei den Verzauberten bzw. Geboosterten
einerseits und bei den Normalen anderseits. Man könnte untersuchen,
was ein Schmutzlappen im Gesicht alles anrichten kann und wie hoch
damit der Schutzfaktor bei Riesenangriffen ist. Man könnte
untersuchen, welche Folgen Vereinsamung hat und ob auch Vereinsamte
sterben können. Aber vielleicht wäre es am besten, beim eigentlichen
Thema zu bleiben: Wo ist die Bedrohung? Wo ist die Gefahr? Welchen
Schaden richten konkret diese Windmühlen an? Wenn es in diesem
Zusammenhang nichts gibt, wovor man sich schützen kann, dann sind
Fragen nach Schutzwirkungen von Zaubertränken und Gesichtslappen und
Hausarrest und sonstigen sog. Schutzmaßnahmen in diesem Zusammenhang
eben müßig. Wohlgemerkt: in diesem Zusammenhang - denn es ist
durchaus sinnvoll, sich allgemein über den Sinn von Zaubertränken
und Gesichtslappen und Hausarrest Klarheit zu verschaffen. Der
Oktober ist der Rosenkranzmonat. Am 7. Oktober feiert die Kirche das
Rosenkranzfest infolge des Sieges der christlichen Flotte in der
Seeschlacht von Lepanto (1571). Die Tageszeitung "Die Welt"
(Cervantes in Lepanto, 15.06.2019) schreibt: "Mittendrin im Getümmel
der Schlacht ... kämpfte ein Mann, der viel später das Heldentum und
den Kampf in einem der größten Romane der Weltliteratur der
Lächerlichkeit preisgab: Miguel de Cervantes. ... Am Tag der
Schlacht von Lepanto lag Cervantes mit Fieber krank darnieder. Aber
soll erklärt haben, lieber wolle er für Gott und König sterben, als
sich an so einem Tag zu verstecken." Verfallen wir nicht dem Wahn
von unsinnigen Erzählungen, von unmöglichen Narreteien, von
Narrativen. Verschwenden wir nicht unsere Zeit mit endlosen
unsinnigen Debatten und Allgemeinplätzen. Leben wir mit klarem Blick
für die Realität, leben wir für Gott, und seien wir bereit, auch für
Gott zu sterben, damit wir dereinst teilhaben am ewigen Leben mit
Christus im Himmel. Amen.